RA-085/2023 – Amtsärzte in Chemnitz

Der Stadtrat Jens Kieselstein hat eine Ratsanfrage zum Thema Amtsärzte in Chemnitz gestellt:

  1. Wie viele ausgebildete Fachärzte für Öffentliches Gesundheitswesen sind momentan
    bei der Stadt Chemnitz angestellt?
  2. Sind diese alle als praktische Ärzte für das Gesundheitsamt tätig oder sind sie auch
    mit anderen Aufgaben betraut?
  3. Wie hoch ist die Quote der Stadt Chemnitz in Bezug auf Amtsarzt zu Einwohner?
    Entspricht diese den gesetzlichen Vorgaben bzw. dem bundesdeutschen
    Durchschnitt?
  4. Bietet die Stadt Chemnitz ein finanziertes (und ggf. berufsbegleitendes)
    Weiterqualifizierungsprogramm zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen für
    angestellte und/oder externe Ärzte an? Gibt es derzeit (Fach-)Ärzte im
    Anstellungsverhältnis aus anderen medizinischen Bereichen, welche sich in einer
    Weiterbildung zum Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen befinden?
  5. Befinden sich Amtsärzte grundsätzlich im Anstellungsverhältnis oder im
    Beamtenverhältnis? Wie wirken sich diese beiden Optionen langfristig auf die
    Personalausgaben und die Personalbindung aus?
  6. Inwiefern könnte ein Online-Angebot (Telemedizin) zur Entlastung der Ärzte
    beitragen und wo wäre ein Einsatz sinnvoll?
  7. Ist seitens der Dezernatsspitze ein Herantreten an die Landesregierung angedacht,
    um durch die vermehrt auftauchenden Probleme bei der Besetzung von
    Amtsarztstellen (vgl. Besetzung Amtsleitung Gesundheitsamt im Landkreis
    Vogtland) eine Änderung (z.B. in §2 (3) SächsGDG) des Gesetzes über den
    öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen oder der Sächsischen
    Amtsarztkursverordnung (z.B. §3 (1) Punkt 2 SächsAAKVO) herbeizuführen? Wenn
    bereits geschehen: Was waren die Ergebnisse? Wenn nicht: Was sind die Gründe
    dafür?
  8. In welchem Umfang werden/wurden externe Ärzte auf Honorarbasis in der
    Stadtverwaltung mit eingebunden?

Antwort: Zur Beantwortung zunächst eine Begriffsklärung: Das Gesundheitsamt, in Chemnitz als Hauptabteilung
des Amtes für Gesundheit und Prävention strukturiert, wird von einer Amtsärztin oder
einem Amtsarzt geleitet. Dieser muss laut Sächsischem Gesundheitsdienstgesetz (SächsGDG)
einen Facharztabschluss für Öffentliches Gesundheitswesen (ÖGW) oder eine Facharztausbildung
sowie langjährige Erfahrung im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) vorweisen. Bei beiden
Zugangswegen ist zudem für die Bestellung zur Amtsärztin / zum Amtsarzt der Amtsarztkurs zu
absolvieren. Insofern gibt es im Gesundheitsamt eine Amtsarztposition, alle anderen sind
Ärztinnen und Ärzte im Amt.
Im Amt für Gesundheit und Prävention sind von 92,575 Stellen 77,865 (VAE) besetzt (Stand:
Juni 2023). Die Differenz resultiert aus unbesetzten Stellen und einer hohen Teilzeitquote. Zum
Personal zählen aktuell zehn Ärztinnen und Ärzte (7,026 VzÄ) sowie zwei Zahnärzte (2,0 VzÄ).
Alle ärztlichen Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Rahmen ihrer jeweiligen Aufgaben praktisch,
wobei innerhalb einer Behörde naturgemäß dennoch Verwaltungsaufgaben zu erfüllen sind.
Dennoch wird versucht, auch unter Nutzung der Möglichkeiten des Pakt ÖGD, den Ärztinnen und
Ärzten eine weitgehende Konzentration auf ärztliche Aufgaben zu ermöglichen.
Aufgrund der knappen ärztlichen Ressourcen muss das Amt für Gesundheit und Prävention auf
ärztliche Honorarkräfte zurückgreifen, um die Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Das ist insbesondere
in Bereichen mit hohen Fallzahlen erforderlich, aber auch in Bereichen, wo Spezialqualifikationen
notwendig sind, während es nicht möglich ist, entsprechende Fachärztinnen und
-ärzte für den ÖGD zu gewinnen. Die Unterstützung konzentriert sich aktuell auf die Schulaufnahmeuntersuchungen
(elf Honorarkräfte), die Tuberkulosefürsorge (zwei Honorarkräfte) und die
Erstuntersuchung der Asylbewerber (fünf Honorarkräfte). Erforderlich wäre dies auch für den
Bereich der Sozialpsychiatrie. Zu beachten ist dabei jedoch, dass viele Honorarkräfte aus diesem
Vorsorgepool unregelmäßig und in sehr geringem Umfang tätig sind.
Grundsätzlich gibt es keine gesetzlich vorgeschriebenen Quoten dafür, wie viele Ärztinnen und
Ärzte bzw. Mitarbeitende in einem Gesundheitsamt beschäftigt sein sollen. Eine Ausnahme bildet
lediglich der Landespsychiatrieplan. Das SächsGDG und andere Gesetze übertragen jedoch
Pflichtaufgaben, die es – in der Regel innerhalb vorgegebener Fristen – zu erfüllen gilt. Zudem
existieren z.B. vom Landesverband der Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst verfasste
Aufgabenbeschreibungen. Die Stadt Chemnitz beteiligt sich auch deshalb derzeit an einem KGSt-
Vergleichsring. Innerhalb des zwei Jahre laufenden Projektes, an dem mehr als 50 Behörden aus
ganz Deutschland mitwirken, sollen Kennzahlen für den ÖGD entwickelt werden.
Bei der Stadt Chemnitz ist aktuell eine Fachärztin für Öffentliches Gesundheitswesen angestellt,
außerdem ein Fachzahnarzt für Öffentliches Gesundheitswesen. Eine weitere Zahnärztin erwirbt
diese Qualifikation gerade. Den Amtsarztkurs haben drei Personen absolviert, eine weitere wird
diesen im Jahr 2024 abschließen. (Hinweis: Es gibt Überschneidungen zwischen diesen Gruppen.)
Die neue Amtsärztin, die ihren Dienst im Oktober beginnt, verfügt über beide Qualifikationen. Alle
weiteren Medizinerinnen und Mediziner im Amt verfügen bis auf drei Ausnahmen über andere
Facharztqualifikationen.

Eine Weiterbildung zur Fachärztin bzw. zum Facharzt ÖGW kann derzeit im Gesundheitsamt nicht
angeboten werden, weil es hierfür entsprechende Fachkolleginnen und -kollegen mit Weiterbildungsbefugnis
braucht. Sofern eine Person diese Tätigkeit nicht in Vollzeit ausübt, kann diese
Aufgabe maximal auf zwei Personen verteilt werden – aufgrund der reinen Zahl der Fachärztinnen
und -ärzte ÖGW sind die Möglichkeiten in Chemnitz daher aktuell begrenzt. Da in den vergangenen
Jahren nach dem Ruhestandseintritt von Medizinerinnen und Medizinern keine neuen
Weiterbildungsbefugnisse innerhalb des Amtes erworben wurden, zählt es zu den vordringlichsten
Aufgaben, diese Lücke schnellstmöglich zu schließen. Der grundsätzliche Ärztemangel im
Öffentlichen Gesundheitsdienst erschwert dies, da es schwierig ist, freie Stellen überhaupt zu
besetzen. Insofern stellt Telemedizin im Moment keine Entlastungsoption dar, zumal zwischen
einer persönlichen und einer virtuellen Konsultation zunächst keine Unterschiede im zeitlichen
Aufwand bestehen.
Insbesondere für junge Medizinerinnen und Mediziner ist die Möglichkeit zur Facharztausbildung
jedoch ein wesentliches Kriterium bei der Entscheidung für eine Assistenzstelle nach der Approbation.
Diese Facharztausbildung ist oftmals eine Weichenstellung für den weiteren Berufsweg.
Die Ärztinnen und Ärzte, die über eine Amtsarztqualifikation verfügen, befinden sich ebenso wie
alle anderen Medizinerinnen und Mediziner des Gesundheitsamtes im Angestelltenverhältnis. In
der Vergangenheit gab es jedoch auch verbeamtete Beschäftigte. Für die Erfüllung hoheitlicher
Aufgaben kann der Beamtenstatus ein Vorteil sein, bei der Akquise von Ärztinnen und Ärzten für
den Öffentlichen Gesundheitsdienst ist dies bisher jedoch noch nie ein explizit formulierter Wunsch
gewesen. Wenn eine Ärztin oder ein Arzt im Beamtenverhältnis den Dienst im Gesundheitsamt
aufnehmen will, würden die Voraussetzungen für die Übernahme des Beamtenverhältnisses
geschaffen. In den aktuellen Personalakquisegesprächen ist eher das unterschiedliche Gehaltsniveau
zwischen Ärztinnen und Ärzten des ÖGD sowie der Kliniken bzw. Niederlassung ein
häufiger Hinderungsgrund, den die Stadtverwaltung durch verschiedene tarifliche und aus dem
Pakt ÖGD finanzierte Zulagen auszugleichen versucht. Für die Personalbindung dürfte die Frage
der Verbeamtung im ärztlichen Sektor also keine entscheidende Rolle spielen, zumal hier Altersgrenzen
nach dem Sächsischen Beamtengesetz zu beachten sind. Stellen im Öffentlichen
Gesundheitsdienst zu besetzen, ist schwer – zum einen aufgrund des Medizinermangels, zum
anderen, weil die Konkurrenz in Kliniken und Niederlassung ebenfalls versucht, Angebote z.B. zur
Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu machen. Vielen Medizinern ist die Option ÖGD auch
überhaupt nicht präsent. Hier setzen verschiedene Aktivitäten des Gesundheitsamtes an, unter
anderem wird gerade eine größere Kooperation mit dem MEDIC-Studiengang aufgebaut.
Das Problem der Stellenbesetzung haben in Sachsen alle Gesundheitsämter mit Ausnahme von
Leipzig und Dresden. Die Stadt Chemnitz hat sich daher in ihrer Stellungnahme zum Entwurf des
in der Novellierung befindlichen Gesundheitsdienstgesetzes für dauerhafte Öffnungsklauseln
ausgesprochen, um z. B: die Leitungsfunktion der Gesundheitsämter aufzuteilen wie dies in
Kliniken seit Jahrzehnten erprobt und selbstverständlich ist. Die Landtagsbefassung ist für den
Herbst vorgesehen. Die Zulassungsvoraussetzungen zum Amtsarztkurs stellen hingegen kein
Hindernis dar, vielmehr geht es wie ausgeführt zuerst um die Gewinnung von Medizinerinnen und
Medizinern für den Öffentlichen Gesundheitsdienst.