Am 22.01.2020 stellte der Stadtrat Jens Kieselstein zum Thema digitale Behörde und Verwaltung folgende Anfrage.
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
- Gibt es für die Stadt Chemnitz eine Digitalisierungsstrategie?
- Wenn Nein, beabsichtigen Sie diese in Zukunft auszuarbeiten?
- Wenn Ja, gibt es bereits einen Erfahrungsaustausch mit anderen Kommunen in der Erarbeitung einer Digitalisierungsstrategie?
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist eine interdisziplinäre Herausforderung im Zusammenspiel von Informationstechnologie, Organisation, Recht und Prozessen, welche nur in einer Zusammenarbeit zwischen allen föderalen Ebenen erfolgreich gestaltet werden kann. Die Digitalisierungsstrategie der Stadt Chemnitz ist somit elementarer Bestandteil der Digitalstrategie des Freistaates Sachsen. Gesetzliche Grundlagen für die Erarbeitung einer Digitalstrategie sind u.a. das „Sächsische Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung (SächsEGovG)“, das „Onlinezugangsgesetz (OZG)“ und das „Sächsische Informationssicherheitsgesetz“. Sie beschreiben die digitale Agenda und deren Rahmenbedingungen zur Verwirklichung der Digitalisierung für den Freistaat Sachsen und seine Kommunen. Zur konkreten Umsetzung der Digitalisierung hat der Freistaat Sachsen in Zusammenarbeit mit den Kommunen wie der Stadt Chemnitz die Strategien „Masterplan digitale Verwaltung“, „Kommune 2025“ und „Sachsen Digital“ entwickelt, welche bereits als Strategien für die Stadt Chemnitz verbindlich sind. Die Digitalisierungsstrategie der Stadt ist somit in diesen Kontext einzuordnen, eine eigene Digitalisierungsstrategie wird nicht erstellt. Vielmehr wird aktuell aus den dargestellten Strategien eine Digitale Agenda erarbeitet, welche Schwerpunkte die Stadt Chemnitz als Digitalisierungsprogramm umsetzen will.
Gebündelt und diskutiert werden die daraus abgeleiteten kommunalen Aktivitäten in Sachsen im „Arbeitskreis Digital“ des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG). Dieser besteht aus Mitgliedern der sächsischen kommunalen Spitzverbände, der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung und ausgewählten sächsischen Kommunen und ist direkt beim Sächsischen Städte- und Gemeindetag angebunden. Die Stadt Chemnitz ist hier unmittelbar Mitglied und bringt die Interessen der Stadt Chemnitz bei der Ausgestaltung der Digitalisierung im Austausch mit den anderen sächsischen Kommunen aktiv ein. Darüber hinaus finden im SSG und seit 2020 zwischen den drei kreisfreien Städten Chemnitz, Leipzig und Dresden regelmäßige Arbeitstreffen zwischen den Referenten Digitalisierung statt, um von den Erfahrungen gegenseitig zu partizipieren. Eine enge Abstimmung zwischen dem Büro des CIO des Freistaates Sachsen und der Stadt Chemnitz ist ebenfalls gegeben, um zeitnah auf Unterstützungsbedarfe hinweisen und diese planen zu können.
Für eine wirtschaftlichere Zusammenarbeit bei der Umsetzung der digitalen Agenda, insbesondere bei der Umsetzung des OZG in den sächsischen Kommunen, haben die Städte Dresden, Leipzig und Chemnitz gemeinsam mit dem Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Sachsen (KISA) und der Sächsischen Anstalt für kommunale Datenverarbeitung (SAKD) mit Beschluss des Chemnitzer Stadtrates B-030/2019 eine gemeinsame IT-Gesellschaft, die Komm24 GmbH gegründet. Diese Gesellschaft entwickelt kommunale Digitallösungen, die die Kommunen zur Umsetzung gesetzlicher Anforderungen benötigen. Dabei sollen möglichst flächendeckend nutzbare IT- Lösungen und Leistungen zur Vereinfachung von Verwaltungsaufgaben entwickelt und allen sächsischen Kommunen bereitgestellt werden. Durch diese Bündelung soll eine höhere Wirtschaftlichkeit und Standardisierung im Vergleich zur separaten Entwicklung durch jede einzelne Kommune erzielt werden. Die Gesellschaft wird in ihrer Tätigkeit für die sächsischen Kommunen mit Fördermitteln des Freistaates Sachsen aktiv unterstützt. Die Komm24 GmbH stimmt mit ihren Gesellschaftern ein jährliches Arbeitsprogramm zur Umsetzung der konkreten digitalen Angebote ab. - Wie ist die bisherige Schwerpunktsetzung bei der Digitalisierung der Verwaltung/ Behörden (insbesondere im Bereich des ASD)?
Die Schwerpunktsetzung der Verwaltung ergibt sich einerseits aus der Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben (siehe Ausführungen zu Punkten 1.-3.), wie z.B. die Umsetzung der elektronischen Rechnung (eRechnung), der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und des elektronischen Rechtsverkehrs sowie anderseits durch die Digitalisierung der verwaltungsinternen Prozesse unter Beachtung rechtlicher Rahmenbedingungen. Hier sind beispielsweise die Schaffung der digitalen kommunalen Prozessplattform und der weitere Roll-Out der elektronischen Verwaltungsarbeit (u.a. elektronische Aktenführung, Vorgangsbearbeitung und Mitarbeiterportal) sowie die funktionale Erweiterung der Mitarbeiter-App genannt. Im Bereich des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) wird beispielsweise das IT-Fachverfahren PROSOZ 14 eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine elektronische Fallbearbeitungssoftware, die für das Aufgabenspektrum der Kinder- und Jugendhilfe zum Einsatz kommt. Sie ermöglicht eine ganzheitliche Sachbearbeitung. Perspektivisch soll im Kontext der OZG-Umsetzung die nahezu vollständige elektronische Abwicklung der Antragsverfahren umgesetzt werden. - Was wurde bisher unternommen diese umzusetzen?
Die Umsetzung der genannten Schwerpunkte wird arbeitsteilig zwischen den föderalen Ebenen realisiert. So ist u.a. die Komm24 GmbH mit der initialen Erstellung der digitalen Angebote für die Kommunen im Kontext der Umsetzung des OZG beauftragt (siehe Ausführungen zu Punkten 1.-3.). Darüber hinaus unterstützt der Freistaat Sachsen durch die Bereitstellung von IT-Basiskomponenten, wie z.B. dem elektronischen Prozessregister oder dem einheitlichen elektronischen Verwaltungsportal „Amt24“. Zur Umsetzung des OZG gibt es bei der Komm24 GmbH ein mit den Gesellschaftern abgestimmtes jährliches Arbeitsprogramm, welche Leistungen im jeweiligen Jahr entwickelt und den Kommunen zur Produktivsetzung angeboten werden. Weitere Themen, die darüber hinaus gehen, werden in der Stadtverwaltung Chemnitz entsprechend der verfügbaren Ressourcen und der Schwerpunktsetzung nach Prioritäten geplant und projektseitig realisiert. Zur strategischen und zentralen Steuerung aller dieser Aktivitäten wurde mit dem Haushalt 2019/2020 die Stelle des Referenten Digitalisierung im Dezernat 1 im Büro des Bürgermeisters eingerichtet. Die Stelle ist seit 01.10.2019 besetzt. - Wie hoch sind die Kosten für die Umsetzung?
Kosten zur Umsetzung der Digitalisierung sind immer ganzheitlich und über alle föderalen Ebenen zu betrachten. So können z.B. bestimmte IT-Basiskomponenten des Freistaates Sachsen durch die Kommunen kostenfrei mitgenutzt werden. Die Bereitstellung und der Betrieb der Komponenten wird dabei durch den Freistaat Sachsen finanziert und z.T. über das FAG querfinanziert. Andere Lösungen, wie z.B. der Roll-Out der elektronischen Verwaltungsarbeit (siehe Ausführungen zu Punkt 4.) müssen über die gesamte Wertschöpfungskette (von Konzeption über Lizenzerwerb, Einführung, Wartung und Betrieb) aus städtischen Mitteln finanziert werden. Die Kosten sind daher differenziert zu betrachten. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass bei der Umsetzung der digitalen Aktivitäten in der initialen Phase zunächst erhebliche Ressourcen (finanziell, personell) investiert werden müssen. - Ist die Schaffung einer „Behörden-App/Plattform“, womit die Bürger Behördengänge (wie z.B. Wohnsitz-/ Kfz- oder Gewerbeanmeldung) von zu Hause aus erledigen können, geplant?
Das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG) verpflichtet Bund und Länder, ihre Verwaltungsleistungen bis zum Jahr 2022 auch elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten. Hierfür wurden bundesweit bisher insgesamt 575 Leistungen identifiziert. Die besondere Herausforderung in der Umsetzung besteht u.a. darin, die unterschiedlichen Verwaltungsportale von Bund, Ländern und Kommunen so miteinander zu vernetzen, dass ein einheitliches „virtuelles Verwaltungsportal“ entsteht. Ziel dabei ist es, dass die Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen durch Anmeldung an einem beliebigen Verwaltungsportal alle onlinefähigen Verwaltungsdienstleistungen aller föderaler Ebenen in Anspruch nehmen können (z.B. Bürger aus Hamburg beantragt für sein Grundstück in Chemnitz über das Hamburger Verwaltungsportal online eine Baumfällgenehmigung bei der Stadt Chemnitz und erhält den Bescheid nach Bearbeitung durch die Stadtverwaltung Chemnitz über sein elektronisches Postfach innerhalb des Hamburger Verwaltungsportals ohne sich dafür in Chemnitz registrieren zu müssen).
Der Freistaat Sachsen mit seinen Kommunen nutzt bei der Umsetzung des OZG als einheitliches Verwaltungsportal die eGovernment-Basiskomponente „Amt24“, ein verwaltungsübergreifendes Service-Portal für die Kunden der Verwaltung (Link zu Amt24 unter http://www.amt24.sachsen.de). Dieses Verwaltungsportal ermöglicht ein lebenslagenorientiertes Verfahrensmanagement zur Modellierung von Online-Antragsverfahren und ein integriertes elektronisches Servicekonto. Mit dem Amt24-Servicekonto können sich Nutzer anmelden und identifizieren, Stammdaten hinterlegen und sicher mit Behörden kommunizieren. Die konkrete Umsetzung der einzelnen digitalen Verwaltungsangebote für die Stadt Chemnitz erfolgt innerhalb „Amt24“ entsprechend der Beantwortung der Fragen 1.-3. in einer Zusammenarbeit zwischen der Komm24 GmbH als Dienstleister und der Stadtverwaltung Chemnitz als Anbieter dieser Leistungen.
Das Dokument zur Anfrage finden Sie hier.