RA-590/2019 – Gefährdungsbeurteilung im Kinder- und Jugendschutzbereich der Stadt Chemnitz

Am 22.Oktober stellte der Stadtrat Jens Kieselstein bezüglich der Gefährdungsbeurteilung im Kinder- und Jugendschutzbereich der Stadt Chemnitz folgende Ratsanfrage. Welche von der Morgenpost aufgegriffen wurde.

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,

die Überlastung von Jugendamtsmitarbeitern und Angestellten im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) ist seit über ein Jahrzehnt ein bundesweit andauerndes Thema in den Medien. So berichtete unteranderem Deutschlandfunk vom 14.05.2018, dass Mitarbeiter im ASD überlastet wären, dass ein Mitarbeiter für bis zu 100 Fälle zuständig ist und dadurch eine professionelle sozialpädagogische Arbeit behindert wird.

Daher bitte ich Sie um Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage im ASD in Bezug auf die Überlastung der Mitarbeiter?

    Antwort:
    Vertretungssituationen aufgrund vakanter Stellen sowie kurzfristiger Ausfälle von Mitarbeitern/-innen tragen zu einer hohen Arbeitsbelastung der Mitarbeiter/-innen im ASD bei. Die Stadtverwaltung Chemnitz ist bemüht, alle Planstellen zügig auszuschreiben und nachzubesetzen. Lange Kündigungsfristen, eine unzureichende Bewerberlage o. ä. haben zur Folge, dass sich Nachbesetzungen allerdings verzögern können.

  2. Welche Probleme/Gefährdungen werden in den Gefährdungsbeurteilungen (GBU) in den Dimensionen nach ArbSchG §5 Absatz 3 behandelt, also wurden identifiziert, beurteilt, Maßnahmen abgeleitet, Maßnahmen umgesetzt und auf Erfolg kontrolliert?

    Antwort:
    Der ASD verfügt über aktuelle Gefährdungsbeurteilungen, welche auch die psychischen Belastungen identifizieren und beurteilen. Wichtigste Vorsorge ist eine tatsächliche Besetzung der vorhandenen Stellen; hier wurden entsprechende Maßnahmen getroffen und eine Optimierung erreicht.
    Eine hohe Fluktuation ist demografisch und lebensphasenbedingt ebenso zu akzeptieren wie die sich verschärfende Fachkräftesituation auf dem Arbeitsmarkt. Hier kann nur intern durch Priori-tätensetzungen, höhere Effizienz und Bürokratieabbau und extern durch gesetzliche Standard-anpassungen nachgesteuert werden.

  3. Sind Ihnen oder Mitarbeitern strukturelle bzw. methodische Fehler im Rechtsrahmen des Familien- und Unterhaltsrechtes, KJHG etc. pp. bekannt, die einen vermeidbaren Anteil an Fällen generieren?

    Antwort:
    Derartige Fehler sind uns aus der Praxis nicht bekannt. Auch diesbezügliche gerichtliche Verfah-ren existieren nicht.

  4. Welcher zeitliche Aufwand entsteht den Mitarbeitern durch bürokratischen Aufwand, die zu Mehrbelastungen führen und vermieden werden können? Welcher durchschnittliche administrative Aufwand entsteht je Fall?

    Antwort:
    Durch die gesetzlichen Vorgaben in § 36 SGB VIII zum Hilfeplanverfahren beträgt der admini-strative Aufwand in jedem Fall ca. 55 %. Eine Entlastung in der Fallbearbeitung könnte durch die Einführung einer elektronischen Akte erreicht werden, wodurch ein medienbruchfreies Arbeiten auch zwischen den Fachbereichen (u. a. Wirtschaftliche Jugendhilfe) möglich wird. Darüber hinaus ist der Einsatz eines softwaregestützten Auswertungsinstruments für statistische Zwecke zur Vereinfachung der Arbeitsprozesse zielführend.

  5. Sind Ihnen oder Mitarbeitern organisatorische Mängel in der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Institutionen (Behörden, Schulen, Ärzten) und/oder den Abteilungen innerhalb der jeweiligen Betriebsstätte bekannt, die zu Ablaufverzögerungen im Arbeitsprozess und/oder Kompetenzkonflikte und/oder Terminschwierigkeiten führen?

    Antwort:
    Die Optimierung der Prozesse zur Vermeidung organisatorischer Mängel erfolgt laufend. Unter-schiedliche fachliche Standpunkte zu Zuständigkeiten, z. B. von Jugendhilfe und Schule, führen zu Konflikten im Arbeitsprozess. Hier sind entsprechende Gespräche mit den verantwortlichen Stellen geplant.

  6. Stehen den Mitarbeitern ausreichend Qualifizierungsmöglichkeiten zur Verfügung, um sich emotional gegen besonders belastende Fälle zu rüsten, diese zu verarbeiten und in akuten Situationen durch Konfliktmanagement im Interesse der Kinder zu vermitteln und einzugreifen? Bitte definieren Sie ein Qualifizierungsbudget je Mitarbeiter und wie dieses ausgenutzt wird.

    Antwort:
    Den Mitarbeitern/-innen stehen ein ausreichendes Budget sowie die entsprechenden Weiterbil-dungsangebote zur Verfügung. Ein Budget pro Mitarbeiter/-in wird nicht vorgegeben. Je nach Fachaufgabe kann das Budget variieren. Schulungen zu gesetzlichen Veränderungen stehen bei der Prioritätensetzung im Vordergrund. Das zur Verfügung stehende Budget wird ausgenutzt.

  7. Wie hoch ist die Fluktuationsrate und Fallzahl je Mitarbeiter sowie die mittlere Betriebszugehörigkeit in diesem Bereich? Bitte geben Sie mir die aktuellen Fallzahlen je Mitarbeiter an.

    Antwort:
    Unter Berücksichtigung aller Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen und Hilfen für junge Voll-jährige betrug die Fallzahl je Mitarbeiter zum 31.10.2019 36 Fälle. Hinzu kommen pro Mitarbeiter/-in Fälle in Höhe von 26 für weitere Leistungen, insbesondere Beratungsleistungen, Inobhutnahmen sowie Prüfungen von Kindeswohlgefährdungen. Die genaue Fluktuationsrate lässt sich nicht ermitteln. Die Fluktuation der Mitarbeiter erfolgt allerdings weniger aufgrund von Eigenkündigungen der Arbeitnehmer, sondern eher aufgrund von Mutterschutz- und Elternzeitvertretungen sowie Umsetzungen von Beschäftigten auf andere Sozialarbeiterstellen innerhalb der Stadtverwaltung Chemnitz.
    Die Beschäftigten des Allgemeinen Sozialdienstes haben eine mittlere Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren. Diese Aussage ist insbesondere bei langjährigen Beschäftigten nicht konkret auf die Tätigkeit beim Allgemeinen Sozialdienst, sondern in der Stadtverwaltung Chemnitz, bezogen.



Das Dokument zur Anfrage finden Sie hier.